Wissenswertes zum Thema Streuobstbau

In Baden-Württemberg stehen derzeit noch ungefähr 10 Millionen hochstämmige Obstbäume auf einer Fläche von 100 000 Hektar. Jeder zweite Streuobstbaum in Deutschland steht in Baden Württemberg.

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Definition Streuobst

„Streuobstbau ist eine Form des naturverträglichen Obstbaus, bei dem großteils starkwüchsige, hochstämmige und großkronige Obstbäume in weiträumigen Abständen mit maximal 150 Bäumen je Hektar, meist auf Dauergrünland stehen.

Charakteristisch für Streuobstbestände ist die regelmäßige Unternutzung als Dauergrünland. Daneben gibt es Streuobstäcker mit ackerbaulicher oder gärtnerischer Unternutzung, Streuobstalleen, sonstige linienförmige Anpflanzungen sowie Einzelbäume. Häufig sind die Streuobstbestände aus Obstbäumen verschiedener Arten und Sorten, Alters- und Größenklassen zusammengesetzt.“

Zitat aus der gemeinsamen Erklärung folgender Verbande:

Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg (LOGL)
Landesverband Erwerbsobstbau (LVEO)
Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV)
Badischer Landwirtschaftlicher Hauptverband (BLHV)
Verband der agrargewerblichen Wirtschaft (VDAW)
Verband Badischer Klein- und Obstbrenner
Verband der Klein- und Obstbrenner Südwürttemberg-Hohenzollern
Verband der Klein- und Obstbrenner in Nordwürttemberg
Verband der Bediensteten für Obstbau, Gartenbau und Landespflege (VBOGL)

Über 90% der Streuobstflächen in Baden-Württemberg werden von unseren Mitgliedern bewirtschaftet, dies ist die gemeinsame Definition für „Streuobst“ aus unserer Sicht.

Begriff Streuobst

Der Obstbau in der freien Landschaft ist eine vergleichsweise junge Erscheinung, die erst im 19. Jahrhundert richtig in Erscheinung trat. Der Weinbau wurde durch Frost, Krankheiten und insbesondere der Reblaus immer mehr aufgegeben und die freigewordenen Flächen wurden verstärkt obstbaulich genutzt. Zunächst handelte es sich bei den Obstbaumpflanzungen um so genannte Baumäcker mit Unternutzung Ackerbau und erst später, durch die Ausdehnung der Milchviehhaltung wurde die Unternutzung zur Wiese – und so wandelte sich die Bezeichnung Baumacker in Baum- bzw. Obstwiese.

Obstwiesen gehören schon seit über 200 Jahren zum Landschaftsbild in Baden-Württemberg!

Noch vor 50 Jahre waren diese Obstwiesen, die heute als Streuobstwiesen bezeichnet werden, die Basis für den Erwerbsobstbau. Wir ernten heute von Bäumen, die unsere Vorfahren mit viel Mühe und Aufwand über Jahrzehnte erzogen haben. Grundlage hierfür waren die damaligen staatlich geprüften Baumwarte, die für eine qualifizierte Pflege in der Fläche sorgten. Sie übernahmen sowohl Schnitt und Veredlung, wie auch die Düngung der Obstbäume. Außerdem wurden Krankheiten und Schädlinge regelmäßig bekämpft.

Abb. 1: Der Erhalt einer einmaligen Erholungslandschaft ist ohne Pflege nicht möglich

Wer bewirtschaftet Obstwiesen?

  • Etwa 25 % werden von Landwirten und Kleinbrennern bewirtschaftet
  • Etwa 20 % sind in öffentlicher Hand – oft in enger Kooperation mit örtlichen Obst- und Gartenbauvereinen!
  • 55 % sind in der privaten Hand der so genannten „Gütlesbesitzer“ welche in vielen Fällen Mitglieder der Obst- und Gartenbauvereine (Mitglieder des LOGL) sind.

Dieser Personenkreis muss durch Motivation und fachliche Unterstützung zur Pflege angehalten werden – Insbesondere auch die nachfolgende Generation (Erben).

Mit der Initiierung der Ausbildung zum Fachwart für Obst und Garten ist es dem LOGL gelungen, auch wieder jüngere Personen für die Obstwiesenpflege zu interessieren.

Pflege der Streuobstwiesen

Drängendes Problem ist der Rückgang der Streuobstflächen und der desolate Pflegezustand.

Gesamtfläche Streuobst in Baden-Württemberg:
1990 = 180.000 ha

2007 = 100.000 ha (in 17 Jahren ca. 45% weniger).

Wenn aus einem Jungbaum ein landschaftsprägender Obstbaum werden soll, geht das nicht ohne Pflege.

In der Regel sind Pflanzenschutzmaßnahmen nur an Jungbäumen in der Erziehungsphase notwendig – In der Hauptsache spielen Blattläuse, Frost-spanner oder Birnengitterrost eine Rolle. Andere Krankheiten sind durch fachlich richtige Pflege und eine richtige Sortenwahl selten ein Problem.

Es wird immer mehr erkannt, dass auch die Düngung der Obstbäume notwendig ist. Wenn beispielsweise mangels eines organischen Düngers ein mineralisch- synthetischer Dünger bedarfsgerecht auf Grundlage von amtlichen Empfehlungen und repräsentativen Bodenproben im Bereich der Kronentraufe eingesetzt wird, darf dies kein Ausschlusskriterium für den Begriff Streuobst sein!

Wir haben heute nicht das Problem, dass zu viel getan wird, sondern zu wenig!

Abb. 2: Kahlfraß an Obstbäumen durch Frostspannerraupen 2005

Mindeststandards

Die Definition für den Begriff Streuobst steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Mindeststandards zur Bewirtschaftung von Streuobstwiesen!

Über die Mindeststandards zur Pflege gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen den oben genannten Verbänden und den Naturschutzverbänden.

Im Gegensatz zu den Naturschutzverbänden sind die obstbaulichen Fachverbände und der Berufsstand nicht der Meinung, dass der Einsatz von mineralisch-synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln ein generelles Ausschlusskriterium für den Begriff Streuobst sein sollte. Voraussetzung ist, dass sich der Einsatz an den rechtlichen Vorgaben und einer guten fachlichen Praxis ausrichtet.

Obstbäume in der freien Feldflur wurden stets mit Nährstoffen versorgt und gegen Krankheiten geschützt. Nur so konnten sie sich zu den heute imponierenden Baumriesen entwickeln. Erst mit der Vernachlässigung der Obstwiesen infolge mangelnder Wirtschaftlichkeit wurden diese Pflegemaßnahmen unterlassen.

Die Unterlassung von Pflegemaßnahmen heute als Bioanbau zu bezeichnen, ist aus unserer Sicht nicht angebracht.

Die Formulierung von Mindeststandards soll keine Erzeugerrichtlinie sein. Dies übernehmen bereits bestehende Richtlinien (z.B. EU-Öko-Verordnung, Qualitätszeichen Baden-Württemberg). Der Begriff ‚Streuobst’ umfasst nicht nur die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte aus Streuobstwiesen, sondern auch die Neupflanzung, Pflege und Bewirtschaftung sowohl der Bäume als auch des Unterwuchses.

Fast 60% der Obstwiesen werden von Privatpersonen bewirtschaftet, die dem Pflanzenschutzgesetz für den Haus- und Kleingarten unterworfen sind. Eine weitere Reglementierung ist aus unserer Sicht nicht notwendig und verstärkt den Rückgang der Streuobstflächen zusätzlich! Auch Landwirte und Kleinbrenner sind bereits jetzt einem engen Geflecht an Bewirtschaftungsvorgaben unterworfen, die auch den Pflanzenschutz und die Düngung umfassen.

Selbstverständlich können zu den formulierten Mindeststandards weitergehende Reglementierungen erfolgen wie bspw. die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung. Dies allerdings als Mindeststandard anzusetzen, ist aus unserer Sicht dem allgemeinen Ziel der Erhaltung der Streuobstwiesen nicht zuträglich. Diejenigen, die heute noch bereit sind, ihre Obstwiesen trotz mangelnder Wirtschaftlichkeit zu pflegen, werden bei weiter einengenden Vorgaben ihren Einsatz aufgeben und die Flächen und Bäume verwildern lassen.

Dass die Streuobstbestände heute ganz im Gegensatz zu ihrer Entstehungszeit überwiegend extensiv bewirtschaftet und damit wenig oder gar nicht gedüngt und gespritzt werden, steht außer Frage, hat jedoch mit dem Begriff “Streuobstbau” ursächlich nichts zu tun.

Abb. 3: Birnenverfall, Feuerbrand und Trockenstress setzen vielen Birnenhochstämmen seit Jahren zu

MINDESTSTANDARDS ZUM ERHALT UND ZUR FÖRDERUNG DES STREUOBSTBAUS

Zielsetzung

Zur Erhaltung und Entwicklung landschaftsprägender, artenreicher und vielfältig strukturierter Streuobstbestände in Baden-Württemberg ist die Erzeugung qualitativ hochwertiger Streuobstprodukte erforderlich. Hierzu sind eine naturnahe und fachgerechte Bewirtschaftung der Streuobstbestände und eine nachhaltige Bestandssicherung notwendig.

Anwendungsbereich

Die Mindeststandards finden Anwendung auf die Streuobstbestände in Baden-Württemberg (Näheres siehe „Definition“).

Pflanzengesundheit

Im Sinne einer vorsorgenden Pflanzengesundheit sollte bei der Auswahl der Obstbäume auf geeignete Standorte, eine gute Pflanzenqualität, geringe Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen sowie Robustheit der Sorten geachtet werden.

Sofern es die Pflanzengesundheit der Bäume erfordert, kann der Einsatz schonender Pflanzenschutzmittel nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgen.

Nährstoffversorgung

Eine ausgewogene Ernährung ist für die Vitalität der Bäume erforderlich. Sofern die Obstbäume gedüngt werden, erfolgt dies bedarfsgerecht. Eine Überversorgung mit Nährstoffen ist im Hinblick auf die Baumgesundheit generell zu vermeiden.

Es ist zwischen dem Bedarf der Bäume und dem der Wiesenvegetation zu unterscheiden. Wird der Grasaufwuchs gemulcht ist der Nährstoffentzug im Vergleich zur Abfuhr des Aufwuchses weit geringer.

Neupflanzung

Bei Neupflanzungen sind in der Regel hochstämmige Obstbäume auf starkwachsenden Unterlagen zu verwenden.

Baumpflege

Zur Erzielung und Erhaltung einer stabilen Krone sind fachgerechte Schnittmaßnahmen erforderlich:

Pflanzschnitt

Erziehungsschnitt bis zur Erzielung einer stabilen Krone jährlich (ca. 10 Jahre)
Erhaltungsschnitt regelmäßig im mehrjährigen Turnus
Verjüngungsschnitt zur Erhaltung des Baumes

Unternutzung

Die naturräumlich unterschiedlichen Standortbedingungen erfordern im Hinblick auf die gewünschte Arten- und Strukturvielfalt angepasste Nutzungsformen.