Unterlagen im Obstbau

Begriffserkläungen und Allgemeines zu Veredelungsunterlagen

Pflanzmaterial der wichtigsten Baumobstarten (Apfel, Birne, Kirsche, Zwetschge usw.) wird durch „Veredelung“ gewonnen. Diese Methode ist notwendig, weil sich die genannten Obstbäume (abgesehen von wenigen unbedeutenden Ausnahmen) nicht durch Aussaat oder durch Stecklinge vermehren lassen.

Beim Veredeln wird das Vermehrungsmaterial (ein Edelreis oder eine einzelne Knospe) der gewünschten Sorte in der Baumschule auf einen Wildling (die sog. „Unterlage“) transplantiert. Nach dem Verwachsen der beiden Partner sind in der neu entstanden Pflanze die Eigenschaften beider Ausgangsgehölze vereint.

Vor allem bei Apfel, Birne und Kirsche wird die Größe des ausgewachsenen Baumes ausschließlich durch die Wahl der Unterlage festgelegt. Bei Zwetschge, Pfirsich und Aprikose gibt es durch die Verwendung unterschiedlicher Wildlinge ebenfalls Unterschiede in der Wuchsgröße, diese sind aber nicht so extrem wie bei den erstgenannten Arten. Das Beerenobst stehet meist auf eigener Wurzel; Ausnahme sind die Hochstämmchen.

Bei der Auswahl eines Obstbaumes für den eigenen Garten oder die Streuobstwiese, sollte man nicht nur die Sorte, sondern auch die Veredelungsunterlage beachten. Diese bestimmt die spätere Endgröße des Obstgehölzes. Im nachfolgenden werden verschiedene Obstunterlagen beschrieben und einige Fachbegriffe erklärt.

Sämlingsunterlage:

Diese Unterlagen werden tatsächlich durch Aussaat gewonnen. Verwendet werden v.a. die Sorten „Bittenfelder“ (Apfel), „Kirchensaller“ (Birne), „Limburger Vogelkirsche“ (Kirsche) und „Myrobalane“ (Zwetschge). Die Aussaat dieser Sorten gibt ein relativ homogenes Material, während die Aussaat anderer Sorten (z.B. von Tafeläpfeln) völlig unterschiedliche Nachkommen hervorbringen. Sämlingsunterlagen haben einen sehr großen Wurzelkörper. Sie sind sehr gesund und frohwüchsig. Ausgewachsene Bäume sind sehr groß und langlebig. Sie sind meist nur für die freie Landschaft bzw. den Streuobstbau geeignet.

Typenunterlagen:

Diese Unterlagen haben meist keine richtigen Namen, sondern häufig nur Nummernbezeichnungen. Sie wurden i.d.R. durch Stecklinge oder Abrisslinge vermehrt. Vor allem bei Apfelunterlagen sind die Unterschiede in der Wuchsstärke sehr groß. Es gibt zwar eine hohe Anzahl unterschiedlicher Typenunterlagen, in der Baumschule wird für die Veredelungen aber meist nur ein begrenztes Sortiment an Typenunterlagen verwendet.

Hochstämme:

Hochstämme müssen eine Stammhöhe von 180 cm haben und auf Sämlinge oder andere entsprechend starkwüchsige Unterlagen (M 25 oder A 2) veredelt sein. Ist der Stamm nur 160 cm hoch, werden die Gehölze in der Baumschulpraxis zwar auch noch als Hochstamm verkauft; dies ist aber nicht in Einklang mit den FLL-Gütebestimmungen. Bei Förderprogrammen sollte darauf geachtet werden. Je nach Sorte benötigen ausgewachsene Hochstämme eine Fläche von ca. 50 bis 70 qm.

Halbstämme:

Halbstämme müssen eine Stammhöhe von 120 cm haben. Auch sie müssen auf entsprechend starkwüchsige Unterlagen veredelt sein. Achtung: Halbstämme werden nicht etwa halb so groß wie ein Hochstamm. Wird eine Sämlingsunterlage verwendet, kann der Kronenumfang genauso groß sein wie bei einem Hochstamm, nur die Stammhöhe ist etwas niedriger. Häufig werden bei Halbstämmen die Unterlagen M 25 oder A 2 verwendet; diese Bäume sind dann tatsächlich etwas kleiner als Hochstämme. Die Wuchsminderung beträgt (je nach Sorte) 20 bis 30 %.

Buschbäume:

Buschbäume müssen auf vegetativ vermehrten Typenunterlagen veredelt sein. Verwendet werden meistens die Apfelunterlagen M 4, M 7, MM 111 und MM 106. Bei Birne sind auch Sämlinge erlaubt. Die Stammhöhe beträgt ca. 60 cm. Buschbäume waren früher in Selbstversorger- und Siedlergärten weit verbreitet; heute ist ihre Bedeutung auf Grund der kleineren Gärten rückläufig. Buschbäume werden 3 bis 4 m hoch und benötigen eine Fläche von ca 12 qm. Für die Fachbegriffe „Niederstämme“ und „Meterstämme“ gibt es keine eindeutige Definition; diese Gehölze dürften jedoch in diese Kategorie fallen.

Spindel und Spindelbüsche:

Für kleine Baumformen werden die schwach wachsenden Unterlagen M 9 und M 26 verwendet. Diese Gehölze werden 2 bis 3 m hoch und 2 bis 3 m breit. Je nach Sorte und Schnitttechnik können die Bäume aber auch schmäler bleiben. Bei intensiver Pflege sind bei Spindeln Pflanzabstände von weniger als 1 m in der Reihe möglich. Es können aber auch Rundkronen erzogen werden, die etwas ausladender sind. Die Unterlage M 26 steht zwischen Spindel und Buschbaum; je nach Sorte ist diese Unterlage für beide Baumgrößen geeignet. Schwachwüchsige Veredelungskombinationen benötigen zeitlebens ein Unterstützungsgerüst, eine Baumscheibe und einen eingezäunten Garten.

Übersicht Unterlagen:

 HochstammBuschbaumSpindel
ApfelSämlings-
unterlage
M 25 oder A 2
MM 106, M 4, M7,
M 26
M 9, M 26
BirneSämlings-
unterlage
Quitte A, OHF
Pyrodwarf
Quitte A
KirscheSämlings-
unterlage, F 12/1
Gisela 5, Colt,
PiKu 1
Gisela 3
Zwetschge, Pfirsich,
Aprikose
MyrobalaneGF 655/2
Wangenheim, Wavit
VVA-1

Birne:

Bei Birne gibt es leider nicht die große Vielfalt an bewährten arteigenen Unterlagen mit unterschiedlicher Wuchsstärke. Alle Birnenunterlagen (Sämlinge, OHF-Unterlagen, Pyrodwarf) sind relativ starkwüchsig und erlauben keine kleinen Spindel-Baumformen wie bei Apfel. Nur die (artfremde) Quittenunterlage führt derzeit zu vergleichbaren schwachwüchsigen Baumformen. Es git mehrere Quitten-Typen, die als Unterlage verwendet werden. Im Vergleich zur Birnenuntelage sind sie ewas empfindlicher, insbesondere was kalkhaltige Böden, Staunässe und Winterfrost betrifft. Quitte A ist im Hausgarten am gebräuchlisten. Sehr gut ist auch die Quitte BA 29.

Kirsche:

Erst mit der Unteralge Gisela 5 (Gießen-Selektion-Artkreuzung) kam vor ca. 20 Jahren eine schwachwachsende Unterlage in den Handel, die für kleinere Gärten und Intensivanlagen geeignet ist. Gegenüber dem Sämling wächst sie ca. 50 % schwächer. Für schlechtere Böden ist auch noch Colt geeignet, die eine Wuchsminderung von ca. 30 % gegenüber Sämlinge erreicht, aber etwas winterfrostempfindlich ist. Ähnlich ist auch die neuere Kirschenunterlage PiKu 1

Zwetschge:

Myrobalanen werden selbst für extensive Pflanzungen nur noch selten angeboten. Standartunterlage für fast alle Baumformen ist in Süddeutschland die St. Julien-Pflaume GF 655/2, die einen mittelstarken Wuchs hat. Konkurrenz bekam GF 655/2 in den letzen Jahren durch die Unterlage Wangenheim, bzw. durch die Wangenheim Abkömmlinge WaVit, WaxWa und WeiWa. Diese wachsen zwar gleich stark, sind aber ewas gesünder. Nicht bewährt hat sich die Unterlage Fereley, die sich als besonders Pseudomonas-anfällig erwiesen hat. Für Dichtpflanzungen mit sehr schwachem Wuchs sind immer noch Pixi und neuerdings VVA-1 interessant.