Erziehung und Schnitt

Hier erhalten Sie wichtige Informationen zu Wachstumsgesetzen von Obstgehölzen und zur Erziehung und Schnitt von Hochstämmen. Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie auch unter dem Menüpunkt „Faltblätter“.

Grundlagen: Die Wachstumsgesetze
Gesetzmäßigkeiten des Wachstums von Gehölzen

Austrieb im Frühjahr und Blütenbildung

Um Obstbäume (sowie andere Laub- und Ziergehölze) richtig erziehen und schneiden zu können, ist es hilfreich zu wissen, nach welchen Regeln die Pflanzen im Frühjahr austreiben und wie sie auf Schnittmaßnahmen reagieren.

Alle Gehölze ähneln sich in dieser Hinsicht und die Gesetzmäßigkeiten des Austriebs sind einfach zu erklären. Das Verhalten der Bäume und Sträucher beim Austrieb wird durch Wachstumshormone (Gibberelline und Auxine) beeinflusst, die im Frühjahr mit dem Saftstrom in die Pflanze steigen. Die Kronenteile bzw. Triebspitzen, die am höchsten liegen, werden am meisten gefördert. Tiefer liegende Kronenteile und Knospen oder flach stehende Triebe sind dagegen benachteiligt.

Die wichtigsten Wachstumsgesetze sind hier am Beispiel von Obstbäumen erklärt: Spitzenförderung, Oberseitenförderung und Scheitelpunktförderung. Grüne Endknospen stellen Blattknospen dar. Rote Endknospen sind Blütenknospen für das darauffolgende Jahr.

Spitzen-förderung (Akrotonie)

Steht der Trieb senkrecht, wird die Spitzen-knopse am stärksten austreiben, gefolgt von der zweithöchsten Knospe, der Konkurrenz-knospe.
Oberseitenförderung (Epitonie)

Ist der Trieb leicht geneigt, verteilen sich die Wuchsstoffe auf mehrere Knospen auf der Oberseite. Die Augen auf der Oberseite treiben am stärksten aus, aber nicht ganz so stark wie im Bild bei der alleinigen Spitzenförderung.

Scheitelpunktförderung (Mesotonie)

Die höchstgelegenen Knospen befinden sich hier am Scheitelpunkt. Diese Augen werden am stärksten austreiben während die benachteiligten Knospen ihr Wachstum früher im Jahr beenden. Diese Knospen können im gleichen Jahr noch Blüten ausbilden.

Die Kronen von Obst- und Zierbäumen sollten möglichst gleichmäßig und harmonisch aufgebaut sein. Betrachtet man die einzelnen Äste oder Triebe, ergibt sich in der Natur auf Grund der Wuchsgesetze meist folgendes Wuchsbild:

Triebe, die in gleicher Höhe und im gleichen Winkel abzweigen, wachsen gleich stark.Ein Trieb, der steiler steht als die anderen, wächst stärker.Ein Trieb, der sich an höherer Stelle befindet, wächst stärker.Ein Trieb, der kräftiger ist, als die anderen, wächst stärker.Ein Trieb, der länger ist, als die anderen, wächst stärker.

Als Regel gilt: zwei Triebe, die sich in gleicher Höhe in der Krone befinden, gleich dick sind und im gleichen Winkel abzweigen, werden auch gleich stark wachsen. Sobald ein Ast durch seine Stärke oder Stellung gefördert ist, wird er stärker wachsen.

Blütenbildung bei Obstbäumen

Die Blütenknospen der Obstbäume für das nächste Jahr werden bereits im Frühsommer des Vorjahres angelegt. Dieser Prozess der Blütenbildung beginnt ab Mitte Juni, also während des gleichzeitig stattfindenden Triebwachstums. Nur Triebe, die ihr Wachstum bereits im Lauf des Frühsommers einstellen und mit einer Endknospe abschließen, bilden gute Blüten aus. Wachsen die Triebe bis in den Spätsommer hinein, werden fast keine Blüten mehr gebildet, sondern nur noch Blattknospen. Flacher stehende Triebe, die weniger vegetativ sind wie steil stehende Triebe, bilden demnach schneller Blütenknospen. Diese Obstbäume kommen schneller in den Ertrag.

Was passiert beim Anschneiden eines Triebes?

Wird ein Trieb (z.B. der Jahrestrieb des letzen Jahres) beim Winterschnitt eingekürzt, wird er zu Austrieb angeregt: Jede Schnittstelle ist eine Austriebsstelle! Das Einkürzen des Jahrestriebes stellt einen „Reiz“ dar; die Pflanze reagiert mit einem kräftigen Austrieb. Durch das richtige Einkürzen werden die Verzweigung und das Dickenwachstum der Triebe gefördert. Das starke Triebwachstum wird aber die Blütenbildung für das kommende Jahr negativ beeinflussen oder ganz verhindern.

ungeschnitten

schwach angeschnitten

ca. 2 bis 3 Knospen entfernt; die Reaktion auf den Schnitteingriff ist noch relativ schwach.

mittelstark angeschnitten

ca. 1/3 bis 1/2 eingekürzt; die Reaktion auf den Schnitteingriff ist stark, alle Knospen treiben kräftig durch, die Blütenblidung unterbleibt. Für den Aufbau einer Baumkrone ist dies die ideale Schnittstelle. Verzweigung und Dickenwachstum der Triebe werden am Besten gefördert.

stark angeschnitten

ca. 2/3 eingekürzt. Weil auf die schwachen Basisknospen des Triebes eingekürzt wurde, die normalerweise nicht austreiben würden, dauert der Neutrieb etwas länger und ist auf wenige Triebe beschränkt.

Junge Bäume, bei denen die spätere Krone erst noch aufgebaut werden muss, sollten nach Bild 3 um ca. 1/3 bis 1/2 eingekürzt werden. Bei ausgewachsenen Bäumen verhindert ein Anschnitt der Jahrestriebe die Blütenblidung. Sollen die Bäume blühen und fruchten, dürfen die Jahrestriebe nicht mehr angeschnitten werden. Die Blühwilligkeit llässtisich nochmals verbessern, wenn die Triebe möglichst waagrecht gestellt werden.

Wuchsgesetze bei ausgewachsenen Kronen

Das Gesetz der Spitzenöfrderung und der Schntteingriffs-Regelungen gilt natürlich auch bei ausgewachsenen Bäumen mit hergestellten Kronen.

schwacher Kronenrückschnitt

Es bilden sich viele, aber relativ schwache Neutriebe
starker Kronenrückschnitt

Es bilden sich wenige, aber sehr kräftige Neutriebe

Ein kräftiges Triebwachstum ist in der Erziehungsphase der Obstgehölze erwünscht; schließlich sollen sie möglichst schnell wachsen und ihren Standraum ausfüllen. Bei fertig gestellten Kronen ist ein starkes Holzwachstum nachteilig, denn es geht zu Lasten der Blütenbildung bzw. des Fruchtertrages.

Erziehung einer Dreiastkrone

Pyramidenkrone oder Rundkrone für Hochstämme und Buschbäume

1. Pflanzschnitt

Der Pflanzschnitt ist die Grundlage zum Aufbau einer tragfähigen Krone. Zuerst wählt man die künftigen Leitäste (L) und die Mitte (M) aus. Als Leitäste eignen sich flach angesetzte Seitenäste, die gleichmäßig nach allen Seiten abgehen. Zu steil angesetzte Äste Konkurrenz- (K) und Schlitzäste (S)) sind ungeeignet. Sie brechen später bei Belastungen leicht aus.

Die Leitäste sollten nicht in einem Quirl beieinanderstehen (Q), sondern am Stamm gestreut sein (G). Die Streuung der Leitäste führt ebenfalls zu einer stabileren Krone. Es genügt daher, wenn im Pflanzjahr zunächst zwei Leitäste festgelegt werden. Beim folgenden Winterschnitt können die fehlenden Leitäste aus neuen Seitentrieben des Mitteltriebes nachgezogen werden. Somit ergibt sich die gewünschte Streuung der Leitäste entlang des Mitteltriebes.

Anschließend werden die Leitäste durch Aufbinden oder Abspreizen in einen Winkel von ca. 45° zur Stammverlängerung gebracht. Danach erfolgt ein Rückschnitt der Leitäste um 1/3 bis 1/2 auf ein nach außen zeigendes Auge. Die Trieb oberseits stehenden Knospen müssen ausgebrochen werden, um Konkurrenztriebe zu vermeiden. Dabei ist zu beachten, dass die Leitäste auf ungefähr gleicher Höhe angeschnitten sein müssen, damit im nächsten Jahr alle drei Leitäste gleichstark austreiben (Saftwaage (S).

Der Mitteltrieb darf die Seitentriebe um etwa 10 – 15 cm in einem Winkel von ca. 120° überragen und wird dementsprechend zurückgeschnitten.

Es besteht auch die Möglichkeit über ein innen stehendes Auge (sog. Umkehraugenschnitt nach Palmer) zu schneiden. Innenauge (I) und das folgende Außenauge (A) treiben aus. Durch die Konkurrenzstellung des inneren Triebes wächst der Trieb des Außenauges flacher nach außen. Durch Wegschnitt des Innenaugentriebes im folgenden Winter entsteht eine von der Richtung her optimale Leitastverlängerung.

2. Erziehungsschnitt

Der Erziehungsschnitt wird bis zum Einsetzen des Ertrages durchgeführt. Auch diese Schnittmaßnahmen dienen zum Aufbau einer stabilen Krone. Es werden nun Fruchtäste in die Krone eingebaut.

Schnitt nach dem ersten Standjahr:

Konkurrenztriebe (K) zur Stammverlängerung und zu den Leitastverlängerungen werden auf Astring weggeschnitten falls trotz Knospenausbrechens entstanden. Starke nach innen wachsende Triebe (W) auf den Leitästen werden ebenfalls entfernt. Aus geeigneten Neutrieben der Mitte werden noch fehlende Leitäste nachgezogen (insgesamt maximal 3-4 Leitäste). Danach erfolgt der Rückschnitt der Leitast- und Stammverlängerung. Die Stärke des Rückschnitts richtet sich nach dem erfolgten Austrieb. Bei schwachem Trieb wird stärker, bei starkem schwächer auf ein nach außen gerichtetes Auge oder Umkehrauge zurückgeschnitten. Auch diesmal müssen die Schnittstellen an den Leitästen in der Saftwaage (S), d. h. etwa auf gleicher Höhe sein. Nach innen stehende Knospen erneut ausbrechen. Die Mitte ist etwa 15 – 20 cm höher als die Leitastspitzen.

Schnitt bis zum Ertragsbeginn:

Die weitere Erziehung hat zum Ziel, Leitäste (L) und Mitteltrieb (M) weiter aufzubauen, sowie Fruchtäste (F) an den Leitästen und an der Stammverlängerung einzubauen. Zuerst werden immer die Leitäste neu formiert, falls sie zu steil oder zu flach stehen (abspreizen oder aufbinden). Der Leitastwinkel von 45 ° wird zunächst weiter beibehalten. Nach 1(– 2) m Länge empfiehlt sich ein steileres Aufziehen (Ü). Der Leitast stabilisiert sich und wird bei Fruchtbehang nicht in die Waagerechte gezogen. Wichtig ist, dass alle Leitäste im gleichen Winkel und der gleichen Länge erzogen werden. Somit ist der Aufbau einer gleichmäßigen Krone garantiert. Bis etwa zum 5./6. Standjahr werden die Leitastverlängerung angeschnitten, um die Bildung von Seitenästen anzuregen und um die Krone gleichmäßig aufzubauen. Wichtig: Leitäste immer mit einem Verlängerungstrieb aufbauen- Vergabelungen vermeiden!

An den Leitästen wird im Abstand von mind. 50 cm vom Stamm der erste flache Fruchtast nach außen zugelassen. In Abstand von 40 – 80 cm folgen 2 – 3 weitere Fruchtäste. Diese begleiten den Leitast richtungsmäßig nach außen und dürfen nicht zu sehr in den Raum zwischen den Leitästen wachsen (Aufsicht Ü). Der Zugang zum Baum wird sonst verbaut. Fruchtäste sollen leicht ansteigend vom Leitast abgehen. Hier muss evtl. mit Schnur oder Spreizholz formiert werden. Diese Fruchtäste werden nicht angeschnitten. An diesen Fruchtästen entsteht dann Fruchtholz (FH). Wichtig: Fruchtäste dürfen niemals dicker sein als der Leitast!

Bei der Stammverlängerung wird nicht mehr – wie früher üblich – eine zweite Leitastserie eingebaut. Es werden nur Fruchtäste zugelassen, die mit einem flachen Winkel von der Stammverlängerung abgehen. Steilstehende Triebe sind unbrauchbar und werden entfernt oder abgebunden. Es ist darauf zu achten, dass diese Fruchtäste nicht die darunter befindlichen Leitäste abdecken und beschatten, sondern in die Lücken zwischen die Leitäste gezogen werden.